Funktionaler Analphabetismus: Die kulturelle Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Italien belegt Platz 2 unter den europäischen Nationen, gleichauf mit Spanien und nach dem Spitzenreiter Türkei, was die Anzahl der funktionalen Analphabeten und Geringqualifizierten betrifft, mit ca. 47% der Gesamtbevölkerung.
(Quelle PIAAC-OCSE, nationaler Bericht über die Kompetenzen Erwachsener - ital.).
Die UNESCO definiert funktionalen Analphabetismus seit 1984 als "der Zustand einer Person, die nicht in der Lage ist, Schriftsprache zu verstehen, zu bewerten, zu gebrauchen und zu nutzen, um eine aktive Rolle in der Gesellschaft auszuüben, um ihre Ziele zu erreichen und ihr Wissen und Potential zu entwickeln". Der Begriff wurde während einer Umfrage der Haushalte durch die Vereinten Nationen im Jahr 1984 geprägt:
eine derartige Definition wurde eingeführt, um der Notwendigkeit der UNESCO nach einem Alphabetismuskonzept nachzukommen, das komplementär zum Konzept des primären Analphabetismus der Agentur aus dem Jahr 1958 war. In der Tat wurde innerhalb der gleichen Untersuchung die Frage nach den Massen-Alphabetisierungskampagnen gestellt, und nahegelegt, dass diese auf höhere Alphabetisierungsstandards als auf einfaches Lesen und Schreiben hätten abzielen müssen, mit dem Fokus auf die Entwicklung der Fähigkeit, diese Kompetenzen in der Beziehung zwischen sich und der Gemeinschaft und den sozioökonomischen Lebenssituationen zu nutzen.
Das Phänomen wurde also nicht mit dem Internet geboren. Aber wir kennen es besser "dank" der sozialen Medien. Der Journalist Enrico Mentana prägte den Kunstbegriff "Webeti" (Web + ebeti was auf Italienisch Schwachköpfe heißt), um auf Leute hinzuweisen, die nicht genau lesen oder seine Beiträge nicht verstehen. Der wahre Vorläufer ist jedoch Umberto Eco: "Social Media gibt ganzen Legionen von Idioten das Recht zu sprechen, die früher höchstens an der Bar nach einem Glas Wein sprachen, ohne damit der Gesellschaft zu schaden. Sie wurden sofort zum Schweigen gebracht, während sie jetzt das volle Recht genießen, wie jemand der einen Nobelpreis gewonnen hat".
Eine Studie mit dem Titel "Literacy at work" ("Alphabetismus am Arbeitsplatz"), die vom Northeast Institute im Jahr 2001 veröffentlicht wurde, stellte fest, dass sich die wirtschaftlichen Verluste, die auf Defizite in der Grundqualifikation zurückzuführen sind, auf Milliarden von Dollar pro Jahr belaufen, aufgrund niedriger Produktivität, Fehlern und Unfällen, die auf funktionalem Analphabetismus beruhen. Soziologische Forschung hat gezeigt, dass Länder mit einem niedrigeren Niveau des funktionalen Analphabetismus unter ihrer erwachsenen Bevölkerung in der Regel die höchsten naturwissenschaftlichen Grundbildung unter der unteren Klasse von jungen Menschen haben, die sich dem Ende ihrer formalen akademischen Studien nähern. Diese Entsprechung legt nahe, dass ein entscheidender Faktor für die Höhe der Alphabetisierung einer Gesellschaft die Fähigkeit der Schulen ist, sicherzustellen, dass die Schüler funktionale Alphabetisierung erreichen, was erforderlich ist, um die Texte und die grundlegenden Dokumente zu verstehen, die man mit einer kompetenten Staatsbürgerschaft assoziiert.
Funktionale Analphabeten können sozialer Einschüchterung, Gesundheitsrisiken, verschiedenen Formen von Stress, niedrigen Verdiensten und anderen Fallgruben ausgesetzt sein, die im Zusammenhang mit ihren mangelnden Fähigkeiten stehen. Der Zusammenhang zwischen Kriminalität und funktionalem Analphabetismus ist Kriminologen und Soziologen auf der ganzen Welt bekannt. In den frühen 2000ern wurde geschätzt, dass 60% der Erwachsenen in den US-Bundes- und Landes Gefängnissen funktionale oder marginale Analphabeten waren, und 85% der jugendlichen Straftäter Probleme mit dem Lesen, Schreiben und mathematischen Grundkenntnissen hatten.
Funktionale Analphabeten neigen angesichts ihrer mangelnden Fähigkeit, korrekte Informationen von falschen oder verzerrten Informationen zu unterscheiden, oft dazu, Nachrichten zu glauben, die nicht wahr sind, ohne sie zu überprüfen, und verbreiten sie. Im Zeitalter von Internet und sozialen Netzwerken, wo jeder etwas veröffentlichen und für Tausende von Menschen sichtbar machen kann, hat dieses Problem wichtige Dimensionen angenommen.
Im Fall von Fehlinformationen zu Gesundheit und medizinischen Fragen (Impfstoffen, Homöopathie und alternativen Therapien im Allgemeinen) können die sozialen Folgen dramatisch sein, da die irreführenden Informationen die Gesundheit oder das Leben vieler Menschen bedrohen können, und sogar deren minderjähriger Kinder.
Die Verbreitung von Fake-News ("bufale" wörtlich Büffel im Italienischen) basierend auf Vorurteilen gegen bestimmte Gruppen von Menschen (aufgrund von Ethnie, Religion, sexueller Orientierung ...), kann zur Ausbreitung diskriminierender und ausgrenzender Einstellungen ihnen gegenüber führen, was ihre Position als Minderheit weiter verschlechtert und ihre soziale und berufliche Integration erschwert.
Im Allgemeinen hat die Verbreitung von funktionalem Analphabetismus ihre Wurzeln im Politischen, im Sozialen und im Bildungsniveau, was jedoch nicht bedeutet, dass Absolventen nicht zu Geringqualifizierten werden können. Tatsächlich wird man nicht (nur) zum funktionalen Analphabeten geboren, sondern man wächst auch hinein. Einige Personen, können ein Phänomen der Rückstufung erleiden aufgrund von wiederkehrendem funktionalem Analphabetismus, wenn sie alle zuvor erlangten Kompetenzen wie Lesen, Information, Kreativität und die Entwicklung eines allgemeinen kritischen Denkens für eine lange Zeit nicht abfragen.
Im Bel Paese Italien, so zeigt es eine Studie des Instituts Isfol, die in dem Artikel "Die Geringqualifizierten in Italien" veröffentlicht wurde, sind nur 10 Prozent der funktionalen Analphabeten arbeitslos, erledigen manuelle und Routinearbeiten, etwas mehr als die Hälfte sind Männer und einer von drei ist über 55. Mehr als 60 Prozent von ihnen wohnen zwischen dem Süden und dem Nordwesten des Landes, Regionen, die die höchsten Prozentsätze unter den analysierten aufweisen. Am stärksten betroffen sind die Rentner und die Menschen, die unbezahlte Hausarbeit leisten, welche seit jeher die kulturell schwächste Gruppe darstellt. Zu den interessantesten Ergebnissen zählt, dass der Anteil der Geringqualifizierten im Bezug auf das Alter steigt, von 20 Prozent der 16-24 jährigen auf über 41 Prozent der Menschen über 55. Dies beruht laut der Forscherin Mineo auf der fehlenden Schulpflicht für die vor 1953 Geborenen, aber auch auf einer größeren "wiederkehrenden" Analphabetismusrate unter den Älteren.
Um herauszufinden, ob auch Du ein funktionaler Analphabet bist, muss man sich einem Test unterziehen, der das Wissen von Erwachsenen in zwei Kompetenzbereichen prüft, die mit den Verarbeitungsprozessen der wichtigsten Informationen zusammenhängen: Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Lese - und Schreibfähigkeit bezieht sich auf das Interesse, die Kompetenz und die Fähigkeit von Individuen, soziokulturelle Werkzeuge angemessen zu verwenden, einschließlich digitaler Technologie und Kommunikationswerkzeuge, um auf Informationen zuzugreifen, diese zu verwalten, zu integrieren und auszuwerten, neues Wissen zu schaffen und mit anderen zu kommunizieren, um effektiver am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Die Rechenfähigkeit
besteht stattdessen in der Fähigkeit, auf Informationen und mathematische Ideen
zuzugreifen, diese zu verwenden, zu interpretieren und zu kommunizieren, um
mathematischen Problemen in verschiedenen Situationen des Erwachsenenlebens zu
begegnen und diese zu bewältigen.